Kommunikationsbarrieren bei Hörbehinderungen abbauen
Hörbehinderungen treten in unterschiedlicher Form und Ausprägung auf, etwa als Schwerhörigkeit, Gehörlosigkeit oder in Kombination mit Sehbehinderungen. Jede Form bringt spezifische Herausforderungen für die Kommunikation mit sich. Hörbehinderungen sind nicht immer sichtbar. Menschen mit Hörbehinderungen sind eine heterogene Gruppe mit individuellen Bedürfnissen. Daher gilt: Betroffene direkt ansprechen und nach ihren Bedürfnissen fragen!
Einige Personen mit Hörbehinderungen sind auf Hörgeräte angewiesen. Hintergrundgeräusche können für sie hier trotz Hilfsmitteln die Verständigung erschweren. Für gehörlose Personen ist gesprochene Sprache oft nicht direkt verständlich, da sie keinerlei akustische Wahrnehmung haben. Für viele ist hier die Gebärdensprache ihre Erstsprache. Wenn keine Gebärdensprachdolmetschung vorhanden ist, sind alternative Kommunikationsformen wie eine klare schriftliche Kommunikation zentral.
Bei schriftlicher (digitaler) Kommunikation ist grundsätzlich zu beachten: Für viele gehörlose Menschen, die mit Gebärdensprache aufgewachsen sind, ist die Schriftsprache eine Fremdsprache mit anderer Grammatik und Struktur. Komplexe Texte sind daher oft schwer verständlich - ähnlich wie bei hörenden Menschen, wenn sie in einer Fremdsprache lesen müssen. Daher sind einfach verständliche Texte für Menschen mit Hörbehinderungen eine wichtige Unterstützung.
Darüber hinaus ist das Mehr-Sinne-Prinzip zentral: Inhalte sollten nicht nur auditiv vermittelt werden. Für Menschen mit Hörbehinderungen sind Videos, Webinare oder Audiomaterialien nicht zugänglich, wenn keine angemessenen Untertitel, Transkripte oder Gebärdensprache angeboten werden. Dabei sind die Untertitel des gesprochenen Inhalts oft nicht ausreichend, um das Video zu verstehen. Untertitel speziell für gehörlose Personen beschreiben neben den sprachlichen Inhalten auch wer spricht sowie Umgebungsgeräusche, z. B. mit dem Hinweis «ruhige Musik».
Massnahmen für die schriftliche (digitale) Kommunikation:
- Auf folgender Seite sind die Leitfäden «Gebärdensprache» und «Untertitelung von Videos» als Download zu finden: Hilfsmittel für eine barrierefreie digitale Kommunikation
- Wichtige Texte einfach und klar formulieren.
- Digitale Kontaktaufnahme und Kommunikation ermöglichen, z. B. über E-Mail, SMS, Chat oder Videotelefonie (siehe auch Diverse Kommunikationskanäle).
- Übersetzungs- und Vermittlungsdienste nutzen, z. B. Text-Vermittlung der Stiftung Procom für schriftliche Kommunikation zwischen hörenden und gehörlosen Personen (rund um die Uhr, kostenlos) oder professionelle Live-Untertitelung von Pro Audito Schweiz.
- Zugang für alle bietet Beratung, Testing, Zertifizierung und Schulungen zur digitalen Barrierefreiheit: access-for-all.ch.
Massnahmen für die direkte Kommunikation
Hörbehinderungen sind nicht immer sichtbar. Daher gilt: Bedürfnisse direkt erfragen!
- Genügend Zeit einplanen, insbesondere bei kombinierten Hör- und Sehbehinderungen.
- Gespräche in ruhiger Umgebung führen.
- Personen in normaler Lautstärke mit Namen ansprechen. Falls nötig, mit einer sanften Berührung Aufmerksamkeit erzeugen.
- Person direkt ansprechen und Blickkontakt halten, auch bei anwesenden Dolmetschenden oder Begleitpersonen.
- Achten Sie darauf, dass Ihr Gesicht (Lippen) gut ausgeleuchtet ist.
- Sprechen Sie deutlich und in kurzen Sätzen. Fragen Sie ob Hochdeutsch oder Dialekt besser verständlich ist für das Lippenlesen. Vermeiden Sie Fremdwörter und erklären Sie Fachbegriffe.
- Kündigen Sie Themenwechsel an und benennen Sie das aktuelle Thema.
- Zeit für Nachfragen lassen und Pausen einplanen.
- Visualisierungen nutzen, z. B. mit Skizzen, Plänen oder Bildschirmdarstellungen.
- Gebärdensprachdolmetschende einsetzen, auch für telefonische Gespräche via Video-Vermittlung oder Text-Vermittlung.
- Übersetzungs- und Vermittlungsdienste nutzen, z. B. Übersetzungen in Gebärdensprache (vor Ort oder online) oder Video-Vermittlung fürTelefongespräche der Stiftung Procom. Oder alternativ Text-Vermittlung anbieten.
- «Lormen» kann in Einzelfällen sinnvoll sein, ist aber nicht weit verbreitet.
- Ergänzte Lautsprache unterstützt das Lippenlesen durch visuelle Hinweise.
Hilfsmittel für die Sensibilisierung und Fortbildung
- Die von der Stiftung Tanne entwickelte PORTA-App bietet eine Sammlung gebräuchlicher Gebärden und Inhalte in visueller und taktiler Form (für gehörlose und gleichzeitig blinde Menschen geeignet).
- Kurse in «Ergänzte Lautsprache» (frz. Langue parlée completée LPC) der Stiftung ALPC.
Weiterführende Informationen
- Weitere Informationen zu Menschen mit Hörbehinderungen erhalten Sie hier: Informationen zu verschiedenen Behinderungsarten. Dort finden Sie auch Hinweise auf weitere Wissens- und Weiterbildungsgrundlagen, z. B. verschiedene Merkblätter des SGB-FSS zum Thema Kommunikation und Gebärdensprache.
